Ich habe ja vor kurzem ein Wellness- und Entspannungs-Wochenende in einem tollen Hotel hier in der Nähe gehabt. Es hat sich sehr gelohnt! Der Kumpel und ich waren so begeistert von dem Service und den Anwendungen, dass wir am liebsten länger geblieben wären und noch mehr ausprobiert hätten. Auch wenn das unmännlich klingt, es gab richtig viele Männer da, die das alles mitgemacht haben, sogar fast mehr als Frauen. Und fast alle waren sie überarbeitet. Mein Kumpel arbeitet genauso viel wie ich, verdient noch mehr als ich und ist genauso wie ich zurzeit frauenlos. Natürlich reise ich auch gerne, aber Strandurlauben habe ich noch nie allzu viel abgewinnen können. Und Städtetouren bedeuten oft nur noch mehr Stress. Nein, die Wellness-Sache hat es mir eindeutig angetan. Ich habe auch gemerkt, dass ich wesentlich entspannter zurückgekommen bin und nicht nach der ersten Woche im Job (gerade wegen der Verantwortung, passende Leute für das Verkaufsseminar auszuwählen) vollkommen gestresst war.

Ich muss für die kommenden Monate entscheiden, wer unsere besten Telefonverkäufer sind bzw. wer unsere vielversprechendsten. Unser Chef von ganz oben möchte in all seinen Filialen, also quasi deutschlandweit, mit den fünfzig  besten Mitarbeitern Verkaufsseminare durchführen lassen, um sie noch mehr zu qualifizieren und den Erfolg zu maximieren. Ich halte so Verkaufsseminare durchaus auch für eine gute Idee, ich habe selbst schon einmal an mehreren teilgenommen und immer viel mitgenommen. Aber bei so vielen Mitarbeitern ist es wirklich schwer, die fünfzig richtigen für Verkaufsseminare herauszupicken. Es werden natürlich auch die bevorzugt, bei denen man sich sicher sein kann, dass sie loyal sind und der Firma noch lange erhalten bleiben werden. Naja, will ich mal mit den einzelnen Mitarbeitern meiner Abteilung darüber sprechen und dann eine Entscheidung treffen. Ich habe zum Glück aber auch noch genug Zeit, bis ich die endgültige Entscheidung nach oben durchgeben muss. Aber der Druck macht mir schon sehr zu schaffen. Ich merke, wie es mich runterzieht und wie ich die Entscheidung für die Mitarbeiter abends mit ins Bett nehme. Das sorgt dafür, dass ich mich schlaflos wälze und grüble. Ich will einfach keine falsche Entscheidung treffen! Mein Therapeut sieht das als Symptom meiner Kontrollsucht und Versagensangst.

Ich habe mir zum Beispiel für den kommenden Monat ein Wellness-Wochenende von Freitag bis Montag zusammen mit einem guten Kumpel gebucht. Der Therapeut hat mir nämlich gesagt, dass ich versuchen soll, mein Leben zu entschleunigen und hat mir so etwas empfohlen. Aber auch lange Spaziergänge. Das klingt für mich alles etwas suspekt, aber ich würde mich wirklich gerne mal wieder entspannt fühlen, also versuche ich es einfach mal. Es geht in eine schöne Landschaft hier im Umkreis. Dort gibt es ein Hotel, das mir schon öfter für so etwas empfohlen wurde. Ich hoffe, dass das Wochenende sein Geld auch lohnt.

Könnt ihr euch vorstellen, dass es nicht so einfach ist, der Leiter eines großen Telefondienstes in einer größeren deutschen Stadt zu sein, mit Zweigstellen und Niederlassungen in anderen deutschen Städten? Es ist wirklich ein Knochenjob, trotzdem bin ich jeden Abend traurig, wenn ich nach Hause gehen soll. Das hört sich komisch an, oder? Ich glaube, dass es nicht mal so sehr mit meiner Arbeit zusammenhängt, sondern eher mit meiner gescheiterten Partnerschaft vor zwei Jahren, die ich immer noch nicht überwunden habe, weil ich bis zum Ende davon überzeugt war, dass man es schafft, wenn man nur will. Aber wenn man wirklich von morgens bis abends arbeitet oder sogar im Schichtdienst (meine Freundin war Ärztin) und sich nur im Bett sieht – und das meist schlafend – kann eine Partnerschaft nicht funktionieren. Da ich Angst vor einem Burn-out habe, versuche ich, mir die nötige Erholung zu verschaffen und gehe seit neuestem auch zur Therapie.